Thyra Holst ist die Initiatorin des Vereins kulturdialog e.V. und dessen Vorsitzende.
Abdelhay Korret ist Directeur de Publication Anabaa Express, Rabat / Marokko.
AK: Thyra, nachdem ich deine künstlerischen Aktivitäten eine Zeitlang verfolgt habe, fiel mir auf, dass sich deine Kunst auf Portraits von Menschen aus verschiedenen Kulturen und Nationalitäten konzentriert. Dies hebt die menschliche Dimension von Kunst deutlich hervor.
Was war das Hauptmotiv, diesen seltenen künstlerischen Ansatz zu wählen?
AK: Thyra, nachdem ich deine künstlerischen Aktivitäten eine Zeitlang verfolgt habe, fiel mir auf, dass sich deine Kunst auf Portraits von Menschen aus verschiedenen Kulturen und Nationalitäten konzentriert. Dies hebt die menschliche Dimension von Kunst deutlich hervor.
Was war das Hauptmotiv, diesen seltenen künstlerischen Ansatz zu wählen?
TH: Mein Antrieb ist zuallererst, dass wir Deutschen mit dem 3. Reich eine verheerende Historie haben, die sich auf keinen Fall wiederholen darf. Es ist schlimm, dass Antisemitismus und Muslimfeindlichkeit eine Zeit lang wieder salonfähig waren.
Zum Glück gibt es aber viele deutsche Initiativen und Bürger, die sich gegen Fremdenfeindlichkeit aussprechen.
Mir ist es grundsätzlich wichtig, in unserer Gesellschaft Respekt und Menschlichkeit zu fördern.
Vor ca. 40 Jahren, als ich noch zur Schule ging, sagte ein Lehrer, wir seien nicht verantwortlich für die Vergangenheit, aber für das, was in der Zukunft geschieht.
Er sagte: „Kinder, wenn ihr merkt, dass die Geschichte sich wiederholt, dann MÜSST ihr etwas unternehmen.“ Ich habe mir das damals versprochen.
2017 wurde eine neue, rechtsextreme Partei, die sogenannte „AfD“ in den deutschen Bundestag gewählt und das war für mich der Zeitpunkt, an dem ich begonnen habe, meine Freizeit und meine Fähigkeiten zu nutzen, um interkulturelle Projekte zu kuratieren.
Dass das Thema des aktuellen Projektes „Faces of Us“ Gesichter sind, liegt daran, dass Gesichter unsere wesentliche Kommunikationsplattform sind. In einer Zeit, in der wir alle Pandemie-bedingt Masken tragen, fällt uns dies schlagartig auf.
Menschlichkeit braucht aber Kommunikation.
Für mich als Künstlerin ist Kunst die maßgebliche Form einer respektvollen Kommunikation, eines respektvollen Miteinanders.
AK: Ein Merkmal Deiner Arbeit ist die Verwendung moderner Technologien. Wo siehst Du den Unterschied zwischen traditioneller Malerei, die sich auf Pinsel und Farbe stützt, und digitaler Malerei?
TH: Der wesentliche Unterschied liegt darin, dass man sehr einfach Korrekturen vornehmen kann. In der digitalen Welt kann man etwas löschen, ändern oder weiter bearbeiten. In der traditionellen Textiltechnik, mit der ich sonst vorwiegend arbeite, dem Gestalten mittels Wollfilz, sind Änderungen nicht möglich. Auch ist die Filzherstellung körperlich sehr anstrengend, während digitale Gemälde am Schreibtisch oder auf dem Sofa erstellt werden können.
Zudem liebe ich es, mit anderen Künstlern, anderen Kulturen, an ein- und demselben Kunstwerk zu arbeiten. Das ist sehr bereichernd und es ist nur digital durch Desktopsharing möglich.
AK: Thyra, im Gespräch hast Du erzählt, dass Marokko zu den Ländern gehört, die Dich darin gestärkt haben, Dein mentales und Dein kreatives Gleichgewicht zu verbessern. Wodurch kam das?
TH: Ja, das ist sehr beeindruckend, während meiner ersten Reise nach Marokko beeinflusste mich die dortige Farbpalette sehr, sie ist besonders warm und findet sich seitdem in meinen Kunstwerken wieder. Auch die Ruhe und Gelassenheit der Menschen, die ich treffen durfte, haben mich verändert, so dass ich bis heute davon persönlich profitiere.
AK: Was sind die semiotischen und ästhetischen Merkmale deiner individuellen und auch deiner kollektiven Werke?
TH: Ich vermeide Symbolismus und reines Design. Mein Ziel ist es, eine ausgewogene Gestaltung zu erstellen, die aus meiner Seele entspringt und die die Seele der Betrachter erreicht. Dazu verwende ich gedämpfte und harmonische Farben. Klare und schwungvollen Formen sind typisch für mich, denn die erste Kunstform, mit der ich mich von meinem 4. bis zum 30. Lebensjahr beschäftigt habe, war der Tanz, besonders der Modern Dance.
AK: Im Jahr 2017 wurde der gemeinnützige Verein kulturdialog e.V. gegründet, dessen 1. Vorsitzende du bist. Kannst du uns kurz die wichtigsten Ziele der Institution erläutern?
TH: Das ist ganz leicht zu beantworten: kulturdialog e.V. fördert Respekt und Vielfalt mit den Mitteln der Kunst.
AK: Vor fast zwei Jahren blieb die Welt aufgrund der Covid-Pandemie stehen, sämtliche künstlerischen Bereiche kamen im Prinzip zum Erliegen. Kunstausstellungen und -konferenzen konnten analog nicht mehr durchgeführt wurden. Wie schätzt du die Folgen für die Kunst ein?
TH: Ich kann es nur für Deutschland und für mich beantworten. Hier im Land haben Kunst und Künstler sehr gelitten und es wird noch eine Weile dauern bis es sich wieder normalisiert hat.
Ich muss aber an dieser Stelle auch sagen, dass ich nie so mutig war, von meiner Kunst leben zu wollen. Ich habe immer den Spagat vollbracht, neben meiner Kunst Vollzeit berufstätig zu sein, um meinen Lebensunterhalt ganz sicher zu verdienen.
Es ist sehr hart, Künstlerin im Nebenberuf zu sein, weil die Zeit dann sehr knapp ist und einem viele Möglichkeiten verwehrt bleiben, zum Beispiel Stipendien. Aber mein Beruf ermöglicht mir einen guten Lebensstandard und er hat mich nun über die Coronazeit gerettet, das ist die andere Seite der Medaille.
AK: Gibt es anstehende Kunstprojekte?
TH: Das aktuelle Projekt FACES OF US hat gerade begonnen und ich werde es in verschiedene Länder bringen, um in den kommenden Jahren eine Art interkulturelles Netz um die Erde zu legen. Wir sind in Gesprächen mit Partnerinnen und Partnern in Marokko, Ägypten und Pakistan. Auf unserer Webseite www.faces-of-us.com ist der aktuelle Fortschritt zu sehen.
Bezüglich neuer Kunstwerke habe ich noch nichts Genaues im Kopf, da ich gerade sehr krank war und nun meinen Alltag neu gestalten muss. Mit weniger Stress. Sobald das gelingt, wird mich ein neues Kunstwerk auswählen, damit ich es erschaffe.
AK: Ein letztes Wort?
TH: Herzlichen Dank für deine Aufmerksamkeit und dein Interesse. Ebenso bedanke ich mich bei den Leserinnen und Lesern.
Das Interview führte Herrn: Abdelhay KORRET.
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