von: Marita Werntze Sparla
Seit 10 Jahren bin ich regelmäßig im Süden Marokkos unterwegs. Ich habe mich zunehmend mit den Menschen in dieser Landschaft, ihrer Kultur und ihrer Historie beschäftigt – angefangen bei den 6.000 – 8.000 Jahre alten Felsgravuren bis zu den klimatisch veränderten Nöten von heute. Und immer wieder aufs Neue bin ich beeindruckt von der Besonderheit und Schönheit des Riads „Le Sauvage Noble“ bei Zagora – eine Oase der Touareg Tradition der Nouaji und ihrer Gastfreundschaft.
Abdellah Naji, promovierter Ethnologe, der die ersten 6 Jahre seines Lebens in der Zelttradition der Nomaden aufgewachsen ist, hat von 2000 – 2006 die Restaurierung dieser ehemaligen Kasbah in ihrer Lehmbauarchitektur durch hiesige Handwerker sorgfältig überwacht.
Besucher treten durch das von 2 Türmen eingerahmte, kunstvoll geschnitzte Eingangsportal und werden von einem blauen Bodenfliesenband – Zillij Fliesen aus Fez – entlang an duftenden Blumenbeeten und schattigen Sitzecken unter Vogelgezwitscher zum Haupteingang geführt.
Drinnen wie draußen gibt es sprudelnde Wasserbecken, sowie einen weiteren Innenhof mit hohen Bäumen und blau schimmerndem Wasserbecken – an heißen Tagen ein wohltuend schattiger Ort zum Verweilen. Die rundum verlaufenden Mauern, sowie die für eine Kasbah üblichen 4 Türme krönen die grün glasierten , in Wellen angeordneten Ziegel aus dem nahe gelegenen Tamgroute.
Die Bäder der 16 individuell eingerichteten Gästezimmer sind in der alten, rötlichen Tadelaket Technik verputzt und auch auf den Böden und Treppen sehen wir die in allen Grüntönen schimmernden, achteckigen Fliesen. Immer wieder trifft der Blick auf alte marokkanische Handwerkskunst: eine Vielfalt an in Metall gearbeiteten Hängelampen, reich geschnitzte Holztüren und -rahmen, Nischen mit gewebten und bunt gemusterten Sitzkissen.
Von der großzügigen Dachterasse schaut man vor allem bei Sonnenaufgang und Sonnenuntergang weit über die Dattelpalmen hinweg in die Landschaft – ein schöner Anblick – nicht zu vergessen auch bei Nacht der Blick in den Sternenhimmel. Empfangen werden die Gäste in einem großen Nomadenzelt – dem Königszelt – bei Tee und Gebäck und über sich ein Dach aus gold-rot-grün leuchtenden Stoffbahnen. Doch das Außergewöhnliche an diesem Riad sind die vielen wertvollen Nomadenkunst- und Alltagsgegenstände der Nouaji und anderer Touaregstämme aus Mali, Mauretanien, Niger, Algerien, Libyen, dem Tschad und Burkina Faso.
Abdellah Naji hat sie über die Jahre von den Nomadenfamilien überlassen bekommen, um sie der Nachwelt zu erhalten. Die ursprüngliche Lebensform der Nomaden der Sahelzone ist eine vom Aussterben bedrohte Lebens- und Kulturform.
Der Gast kommt aus dem Schauen nicht mehr heraus: an den Wänden kunstvoll von Nomadenfrauen gefertigte, bunte Ledertaschen, die kleinen für Schmuck und Wertvolles, die großen für den Transport von Gegenständen mit den Dromedaren bzw. zu deren Schmuck bei besonderen Festen. Diese Arbeiten strahlen einzigartig in ihren Naturfarben, ihren eingeritzten Mustern und fein mit Seidenfäden bestickt – einfaches Wüstenhandwerkszeug: ein Stein als Untergrund, kleine Ritzklingen, Sticknadeln. In jede dieser Taschen arbeitet die Frau – ähnlich wie beim Teppichweben – ihre Geschichte ein – dies eine bemerkenswerte Form mündlicher Tradierung in einer Kultur ohne Schriftsprache.
Und wer dann noch Zeit und Muße hat, stößt auf eine wissenschaftlich aufbereitete und in Vitrinen ausgestellte Sammlung wertvoller prähistorischer Artefakte als da sind Fossilien, Pfeilspitzen, Werkzeuge … Touaregschmuck – zusammengetragen aus den Wüstenregionen des Sahel. Über 20 Jahre nun war und ist dieses Gästehaus auch während der Coronazeit geöffnet gewesen nicht zuletzt Dank der 5 Frauen, denen es ein Anliegen ist, dieses Juwel in Ordnung und zu jeder Zeit empfangsbereit zu halten. Trotz der vielen Jahren der Trockenheit ist „Le Sauvage Noble“ eine grüne Oase in einer leider ausgetrockneten Landschaft.
Vielleicht wird dieser der Touareg- und Wüstentradition verpflichtete Ort zu einem Anziehungspunkt der Ruhe und der Rückbesinnung in unserer technisierten Alltagswelt der Moderne. Verdient hätte das dieses Kasbah-Riad „Le Sauvage Noble“ am Rande der Wüste.
diese Beitrag erschien erstmalig 2023 im Magazin „TIMA“. Diese Ausgabe ist bei Amazon erhältlich unter: https://www.amazon.de/dp/B0BW2JDHD8
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