Text und Fotos: Uli Rohde fĂĽr TIMA Magazin
Am fĂĽnften Oktober schloss das FINIFA-Filmfestival Issni n’Ourgh (Festival Issni n’Ourgh international du film amazighe) in Agadir (Marokko) die Pforten seiner 16. Ausgabe.
Das Filmfestival existiert seit 19 Jahren und wurde von Rachid Bouksim und Rachid Moutchou ins Leben gerufen. Es ist ihnen ein Anliegen die masirsche (Berber-) Kultur in den Fokus ihres Festivals zu rücken. Eine Kultur, die bis heute in den meisten Ländern, in denen sie existiert, marginalisiert wird.
Jedes Jahr gibt es neben der masirischen Kultur ein weiteres Thema, dem besondere Aufmerksamkeit gewidmet wird. In diesem Jahr waren es Menschenrechte, Migration, Erinnerung sowie Umweltschutz.
Es wurden für dieses Jahr knapp 1200 Kurz- Dokumentar- und Spielfilme, eigereicht. Eine Rekordzahl, die zeigt, dass das Festival inzwischen seine Reichweite und Reputation deutlich verbessern konnte. Um diesem Arbeitsaufwand gerecht werden zu können, müsste das Festivalbudget mindestens verdoppelt werden. Aber unglaublicher, persönlicher Einsatz, verbunden mit einem hohen Zeitaufwand, machen es gerade noch möglich, das Festival weiter voranzutreiben.
In den fünf Tagen des Festivals, kam es zu interessanten Zusammenkünften der nationalen und internationalen Jury, Teilnehmer und Gäste des Festivals, die häufig auch die Grundlage für zukünftige Filmprojekte, Festivals und Freundschaften ist. Wir sprechen in diesem Zusammenhang liebevoll von der Issni-Family. Der gemeinsame Wunsch, aus der Welt eine bessere zu machen, auf Ungerechtigkeiten hinzuweisen und einfach marginale Kulturen und ihre Probleme sichtbar zu machen, liegt nahezu allen Teilnehmern am Herzen. Das verbindet und so kommen viele Teilnehmer auch immer wieder und wenn es nur ist, um ein bisschen Solidarität zu schnuppern, ein Umstand, der in unserer Zeit rar gesät ist. Die, die zum ersten Mal dabei sind, sind jedes Jahr positiv überrascht. Ein so grandioses Festival haben die wenigsten Agadir erwartet. Ich selbst nicht, als ich 2013 zum ersten Mal dabei sein durfte. Teile der internationalen Jury dürften dem geneigten Leser aus der deutschen Filmszene bekannt sein. Petr Lom und seine Frau Corinne van Egeraat, die bei der Berlinale 2022 einen Preis für die beste Dokumentation für ihren beeindruckenden Dokumentarfilm „Myanmar Diaries, Flaschenpost aus Myanmar“ bekamen. Des Weiteren Raphaele Benisty, Fadila Belkebla sowie Lahoucine Chkiri. Die Jury des Amazigh-Films bestand aus Amor Hakkar, Moha Moukhlis, Aziz Ajahbli, Monia Boulaarassi sowie Azzedine El Kharrat.
Der MitgrĂĽnder und kĂĽnstlerische Direktor des Festivals, Rachid Bouksim meint:
Das Kino ist die Stimme der Menschen, das Anhören von Berichten, und des Sich-Ă–ffnens gegenĂĽber des Anderen. Issni n’Ourgh möchte dieser Spiegel sein: das Universelle zu zelebrieren im Herzen der Eigenheit des Masirischen und Afrikanischen, will aus diesem Unterschied eine Kraft machen und aus dem Zusammentreffen ein Versprechen.
Said Adil, besser bekannt als Xixun, Generalsekretär des FINIFA-Festivals sagt über diese Ausgabe: „Neunzehn Jahre leidenschaftlichen Schaffens und unermüdlichen Engagements für eine würdige Stellung des Amazigh-Films. Die 16. Ausgabe symbolisiert die Fortführung dieser Reise – die Verankerung der Werte des Amazigh-Kinos, seine Öffnung zur Welt des internationalen Films und den aufrichtigen Ruf nach Gerechtigkeit in der Verteilung öffentlicher Fördermittel.“
Nach Angaben Rachid Moutchous, ebenfalls MitbegrĂĽnder des Festivals und Präsident des Vereines Issni n’Ourgh ist : „Amazigh fĂĽr uns nicht einfach nur eine Sprache oder ein kĂĽnstlerisches Repertoire. Es ist ein Pfeiler der nationalen Identität Marokkos, kollektive Erinnerung, die ihre kulturelle Diversität symbolischen Reichtum miteinander vereint.
Kino allgemein hat in Marokko nicht mehr so recht seinen Platz. Es gab das alte Cinema Salam, welches, als eines der wenigen Gebäude, das verheerende Erdbeben von Agadir überstanden hat, jenes ist aber nie wieder in Betrieb genommen wurde. In Zukunft wird dieses ein kultureller Raum und befindet sich seit einem Monat wieder im Aufbau. Auch gibt es das Cinema Rialto, welches mitten in Agadir situiert ist. Aber leider gibt es auch da kein Kinoprogramm mehr und es ist dauerhaft geschlossen. Dabei kann man bei einem Film, auch ohne Visum – zumindest im Kopf – verreisen und so bekommt das Festival regen Zuspruch bei den Bewohnern Agadirs, die sehr stolz auf ihre Kultur sind und immer auch selbst gern etwas dazulernen. Seit der Wiedereröffnung des Cinéma Sahara im Stadtteil Talborjt, findet das Festival nun jährlich dort statt. Leider gibt es auch hier kein regelmäßiges Kinoprogramm. Nebenbei gibt es während des Festivals noch verschiedene andere Orte, die mit einbezogen werden. Die Masterclass der Luxemburger Produzentin Tessy Fritz mit François Baldassare, fand dieses Jahr ebenfalls im Cinéma Sahara statt. Auch gibt es jedes Jahr ein ISSNI-OFF, bei dem Filme an einem abgelegenen Ort gezeigt werden, um besonders den jungen, motivierten und kreativen Menschen etwas Neues und Inspirierendes anzubieten. Marokko hat eine vergleichbar junge Bevölkerung, die Visionen braucht, damit sie nicht alle nur vom Leben im Ausland träumen. ISSNI-OFF fand in diesem Jahr an der Fakultät der Künste, Sprachen und Humanwissenschaften in Ait Melloul statt.
Des Weiteren wird gerade ein großes Theater in Agadir gebaut. Das jetzige Amazigh-Museum wird das Museum für zeitgenössische Kunst. Dazu kommen dann ein neues Amazigh-Museum, welches das weltweit größte Museum seiner Art werden wird. Wie man sieht, hat sich der hartnäckige Kampf für die masirische Kultur in Marokko ausgezahlt. Einst verfolgt und marginalisiert, hat die masirische Kultur heute einen festen Platz in Marokko und Agadir ist die Hauptstadt dieser reichen und Jahrtausende alten Kultur.
Parallel zu den Filmen, gibt es auch jedes Jahr eine Ausstellung eines KĂĽnstlers. Dieses Jahr stellte Brahim Adnor aus Agadir, seine plastischen und kalligrafischen Werke aus.
Der Issni-Solidaritätspreis, der jedes Jahr an einen herausragenden KĂĽnstler vergeben wird, der sich der masirischen Kultur widmet, ging in diesem Jahr an M’barek El Aattach, der an der Fakultät der KĂĽnste, der Literatur und Humanwissenschaften in diesem Jahr ebenfalls eine Masterclass vor den Studentinnen und Studenten abhielt.
Am 17. Oktober hat dann die Jury es nationalen Preises des masirischen Kultur der Kategorie Film, bestehend aus Brahim Hasnaouy, Noura El Azrak, Yassine Hourtane sowie Mustapha Sghir in Rabat vergeben. Das IRCAM Institut (königliches Institut der masirischen Kultur) in Rabat, stellt jedes Jahr einen Preis zur Verfügung.
Ich habe seit ein paar Jahren die Ehre das FINIFA-Festival mit keinem Geringeren, als dem ehemaligen Sportjournalisten, Radiomoderator und Aktivisten M Bark Idmouloud zu moderieren.
Wir freuen uns auf die 17. FINIFA-Ausgabe, auf internationale Gäste, interessante Debatten, bewegende Filme und ein tolles Publikum. Jeder ist willkommen.
