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IPS verbindet, klärt auf, lehrt und verzaubert
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IPS verbindet, klärt auf, lehrt und verzaubert

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Mein Vater sagte mir oft: „Mein lieber Sohn, halt den Finger weg von der Politik.“ Die Politiker seien nur Lügner. Ihm habe ich dies geglaubt und habe mich für die Politik nicht interessiert. Mein Schulkamerad erzählte mir damals oft von einer Zeitschrift namens „Nichan“, die längst verboten ist und versuchte stets mich zu überzeugen, einige Artikel davon zu lesen. Trotzdem hatte ich kein Interesse an der Politik. Es schien, dass mein Vater mich überzeugt hat. Jedoch kam die Zeit, in der ich weit von meinem Vater sein musste. Ich musste in Casablanca Germanistik studieren. Die Stadt ist weit weg von meinen Eltern.

In Casablanca hat eine neue Phase begonnen. An der Universität habe ich erfahren, dass es bestimmte Gruppierungen gibt, die bestimmte politische Richtungen haben, die von bestimmten Parteien unterstützt wurden. Sie versuchten ab und zu, mich von ihren Ideen zu überzeugen. An der Universität hatte ich einen Professor, der viel über die Politik erzählt hat. Er hat uns einmal gesagt, dass die Politik in unserem Leben wichtig ist. In diesem Moment habe ich mich an meinen Vater erinnert. Der Professor meinte: „si tu t’intéresse pas a la politique la politique s’intéresse a toi.“ Solange sich die Politik für mich interessiert, muss ich mich dann auch für sie interessieren. Da hat es bei mir angefangen, und wollte mehr verstehen. Ich wollte verstehen, warum die Studenten von Al Adl Wal Ihsane stärker als die anderen sind. Warum ist die Gruppe der masirischen Bewegung nicht so stark wie in anderen Städten wie Agadir?

2012 habe ich einen jungen Studenten kennen gelernt, der auch aus der Nähe von meiner Region stammt. Er fand es schön, dass jemand aus den tiefen Gebirgen von Souss in Casablanca Germanistik studiert. Er motivierte mich. Auf seiner Facebook-Seite habe ich Fotos gesehen, die er im Deutschen Bundestag gemacht hat. Ich war neugierig und wollte wissen, worum es ging. „Ich nehme an einem Programm für junge engagierte Leute teil und das Programm heißt IPS“, sagte er mir. Das war das erste Mal, dass ich von diesem Programm gehört habe. Später habe ich den Freundekreis dieses IPS-Stipendiaten kennen gelernt, und dadurch konnte ich den Chefredakteur des Magazins Timatarin, eine Onlinzeitschrift für interkulturelle Kommunikation,, kennen lernen, der mich zur Mitwirkung im Magazin eingeladen hat, was ich gerne angenomnmen habe. Dies führte mich zu meinem zivilgesellschaftlichen Engagement mit dem Verein Timatairin, der auch die Online-Zeitschrift Timatarin betreut. Der Chefredakteuer hat auch am IPS teilgenommen. Mein Interesse ist somit größer geworden, und ich habe endlich die Entscheidung getroffen, diese Erfahrung zu erleben und den Deutschen Bundestag vor Ort kennen zu lernen.

Nachdem das Auswahlverfahren gut gelaufen war, habe ich die Zusage vom Deutschen Bundestag bekommen. Es ging um das Sonderprogramm IPS für arabische Staaten, an dem ausschließlich junge Leute aus Nordafrika und dem Nahen Osten teilnehmen. Ich konnte Einblicke in die Arbeit des Bundestages gewinnen. Jedoch ist mein Wissbegier noch nicht gestillt,und dies führte mich dazu, mich um das Regelprogramm IPS zu bewerben.

Hier hat mein Abenteuer mit dem IPS angefangen. Mit meinem Master in der Übersetzung in der Tasche bin ich nach Berlin mit vielen Erwartungen und bestimmten Zielen gereist.

                                                      Im Deutschen Bundestag, cassidy ©

Mich interessiert die deutsche Politik so sehr, dass ich die Gelgenheit bekam, alles hautnah zu erleben. Ich konnte sehen, wie die Entscheidungsprozesse ausgearbeit werden, wie die PolitikerInnen mit den Themen umgehen, die das Volk beschäftigen. 2015 absolvierte ich ein einwöchiges Praktikum im Büro einer SPD-Abgeordneten (Gabi Weber). Und in diesem Jahr war es im Büro eines CDU-Abgeordneten (Markus Koob). So bekam ich die Möglichkeit, die Koalitionspartner kennen zu lernen und ihre Arbeit zu sehen. Jetzt treten die beiden Parteien gegeneinander im Wahlkampf, nachdem sie vier Jahre zusammengearbeitet haben. Dies fand ich interessant und würde es mir gerne in meinem Heimatland wünschen. Im IPS geht es aber nicht nur um Politik.

Im IPS lernt man Leute aus verschiedenen Ecken der Welt kennen. Ich habe da Leute aus Ländern kennen gelernt, über die ich nie gelesen und von denen ich nie gehört habe. Durch IPS konnte ich mich selbst besser kennen lernen und zwar durch Fragen der anderen Stipendiat*nnen. Ich bekam Fragen, auf die ich nie gekommem bin, über Sachen, die mir normal erscheinen.

Kristi Vako, mein Mitbewohner: Albanien und Marokko unter einem Dach

Dass mein Mitbewohner Albaner sein würde, habe ich nicht erwartet. Ich habe mich nie für Albanien interessiert. Mein Mitbewohner hieß Kristi und ist Jurist, was ich auch sehr interessant fand: Ein Germanist und Jurist unter einem Dach. Am ersten Tag habe ich den marokkanischen Tagine gekocht und wir haben zusammen gegessen. Mit Kristi habe ich die schönsten fünf Monate überhaupt verbracht. Wir sprachen über alles und von ihm habe ich vieles gelernt. Er hat mir die Situation in seinem Land näher gebracht und auch im ganzen Balkanraum. Seine albanischen Witze kamen bei mir gut an und ich habe letztendlich festgestellt, dass nicht große Unterschiede zwischen uns gibt.

Marokko ist MAROKKO

IPS klärt auf. Mein Vorname ist Abderrahim und mein Nachname ist Bougayou. Der erste ist auf Arabisch und der zweite auf Berberisch. Dies ist schon ein Beweis dafür, dass mein Heimatland ein Land der Vielfalt ist. Jedoch wird das Land in den Medien und im Ausland immer noch als arabisches Land bezeichnet und gesehen. Ich lehne es ab, dem Wort „Marokko“ ein relegiös oder ethnisch geprägtes Adjektiv anzufügen. Es ist ein nordafrikanisches Marokko, in dem Berber, Araber, Muslime, Juden, Christen und andere ethnische und relegiöse Gruppen leben. Ich bin zwar Berber, sehe mich aber als Marokkaner und vertrete in diesem Programm Marokko.


Dank IPS konnte ich mein Heimatland und dessen Kultur den anderen Stipendiat*nnen präsentieren, die Interesse daran hatten. Im IPS habe ich aber auch Leute mit einer berberischen Seele getroffen.

„Arabische Länder“

                  Mit den Stipendiaten Ahmed Salah aus Ägypten und Ghadi Lotfi aus Jordanien, Seda ©

IPS lehrt. Mit meinem Marokkanischen konnte ich nur mit meinem Nachbarland Algerien klar kommen. Das Marokkanische ist eine Mischung aus verschiednen Sprachen (Berberisch, Arabisch, Französisch, Spanisch…). Dies zwang mich dazu, Deutsch mit den ägyptischen, lebanisischen und jordanischen StipendiatInnen zu sprechen. Nichtsdestotrotz habe ich etwas Ägyptisch gelernt, mit dem ich einigermaßen in der Region zurechtkommen kann. Mich hat es gefreut, dass unsere Region junge kompetente aufgeklärte Leute hat.

Mir tut aber weh, dass diesen Leuten keine winzige Aufmerksamkeit in ihren Heimatländern geschenkt wird. Diese jungen strebsamen Leute geben mir die Hoffnung, die Gesellschaft aufzuklären, was wir dringend brauchen und dann mal schauen, ob es eine Änderung der politischen etablierten Strukturen möglich wäre…

Stipendiatenabend: ein Zauber

IPS verzaubert. IPS ist eine Abkürzung für Internationales Parlaments-Stipendium, was den Eindruck gibt, dass es sich ausschließlich um parlamentarische Angelegenheiten und Politik geht. Nein, das ist nicht so. Der Stipendiatenabend war eine der besten Veranstaltungen im Programm. StipendiatInnen aus über 40 Ländern stellten ihre Länder mit bunten Tischen voller Schätze und Essen vor. Jeder Tisch verzauberte. Du kannst die Reisekosten sparen und die Welt in der Paul Löbe Haushalle bereisen.

     Der marokkanische Tisch am Stipendianetenabend mit Mohamed El Ouhabi, der mir dabei viel geholfen hat. Danke       

An den Tischen standen BotschafterInnen, die dich mit dem leckeren Essen verzaubern. An dem Abend stellte ich fest, wie groß der Beitrag des IPS zum interkulturellen Dialog ist. Dies brauchen wir in diesen Zeiten der Kriege und Unkommunikation.

IPS: der Wendepunkt in meinem Leben

An verschiedenen Programmen habe ich teilgenommen, aber bis jetzt bleibt das Internationale Parlaments-Stipendium Programm das beste Programm überhaupt.

                                                               Essen verbindet Kulturen…

Dabei habe ich vieles gelernt, Leute kennen gelernt, von denen ich ebenfalls etwas gelernt habe. Ein solches Programm würde ich mir in anderen Kontineneten wünschen, damit wir uns auf persönlicher Ebene kennen lernen, damit wir Vorurteile abbauen, damit wir uns verstehen, damit wir den Hass und Hetze bekämpfen. Mein Vater hat mich auf diesem Weg unterstützt und mir mit Rat und Tat zur Seite gestanden, obwohl er versuchte, mich von der Politik abzuhalten. Dem spreche ich meinen herzlichen Dank aus.
Mein herzliches Dank an das deutsche Parlement und ich sage allen IPSler*nnen, ich liebe euch.

 

Text: Abderrahim Bougayou

 

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